Donnerstag, 31. Mai 2012

HOMOSEXUALITÄT IN UGANDA

Uganda ist ein sehr homophobes Land, das bekommt man schnell mit, wenn man hier lebt oder gelebt hat. das ist vor einiger Zeit ein bisschen bekannter geworden, als 2009 ein Gesetz verabschiedet werden sollte, dass homosexuelle Handlungen unter Todesstrafe stellt, die sogenannte Bahati Bill, benannt nach dem Politiker David Bahati, der das Gesetz durch das Parlament bringen will. 
Annika hat darüber eine Hausarbeit geschrieben und hatte mich gebeten, die Stimmen aus dem Volke einzufangen. eine schnelle Umfrage im Büro brachte folgendes Meinungspanorama:

Zack (Freiwilliger): ihm ist alles egal, wenn jemand meint er muss das machen, never mind, none of my business. aber wenn jemand kleine Jungs anfasst und sie mit Geld anlockt, dann ist das ein Verbrechen. 
Nachfrage: also zwischen zwei Erwachsenen mit Einverständnis hast du nichts dagegen?
Antwort: nö. aber hier in Uganda nutzen manche Leute die Armut von Kindern aus, um sie zu missbrauchen, deswegen finden die Ugander Homosexualität nicht gut. 

Naomi (Praktikantin):   also, zwischen zwei gleichaltrigen Leuten ist das okay. bei zwei Weißen fänd ich das nicht schlimm, aber bei zwei Schwarzen ... ihhh.
Nachfrage:   Moment, zwischen Weißen ist das was anderes?
Antwort:   ja klar, ihr seid halt liberaler. von sich aus machen Schwarze sowas nicht.
Nachfrage:   heißt das ihr denkt, es gab in Afrika keine Homos, bevor die Weißen kamen?? dass ist also was Westliches, und Afrikaner kämen von selbst nie darauf??
Naomi und Zack (einstimmig): na klar!!
Clara:   (...)

Parliamentarier David Bahati
Dinah (Chefin der Blutspende nebenan, quer durch das ganze Büro):   Clara, du unterstützt Homosexuelle? 
Clara:   ja, ich find das nicht schlimm. 
Dinah:   bist du denn Christ? 
Clara:   ja ich hab Christian culture 
Zack:   haha hat sie gar nicht 
Clara:   wohl ich hab aber Christian heritage! 
Dinah:   Clara, glaubst du, wenn es nur Schwule auf der Welt gäbe, dass sich die Menschheit dann fortpflanzen könnte? und was macht Gott in der Bibel? in Sodom und Gomorrah, da kommen die Engel in ein Haus des Herrn, und Leute kommen von draußen und wollen Sex mit ihnen haben!!!! (wird immer lauter) Gott bestraft die Homosexuellen! er ist gegen sie! 

Clara (begibt sich auf das glatte Eis ein religiösen Diskussion):   aber Gott heißt auch Liebe. Jesus akzeptiert dich, egal was du tust.
Dinah (schnauft wütend):   Clara, wenn du etwas stiehlst, was tut Gott? was, wenn du etwas schlechtes tust? er bestraft dich!!
Clara:   du sagst also, Schwule sündigen. 
Dinah:   ja sicher! weißt du, was die machen? mit kleinen Jungs? in boarding schools (= Internate)? du weißt ja gar nicht was da abgeht! 
Clara:   ich verstehe, was du sagst Dinah, aber es gibt doch einen Unterschied zwischen Leuten, die kleine Jungs vergewaltigen, und consensual sex between grown people! Pädophilie und Missbrauch ist nicht das gleiche wie Homosexualität!
Dinah:   also wenn jemand mein Kind anfasst, dann bring ich den um! 
Waako (schlichtend):   zwischen zwei Erwachsenen ist das okay. 
Zack:   Clara don't say those things in the office you know people. 
Dinah:   findest du echt, dass so etwas natürlich ist? das ist falsch und unnatürlich. aber ihr Westler, ihr seid da eh anders. ihr seid ... liberal.
Clara:   Dinah es stimmt nicht dass Weiße keine Moral haben, nur weil wir openminded sind heißt das nicht das das schlechter ist.
Dinah:   ja wie gesagt liberal. aber hier in Afrika, das finden wir sowas nun mal nicht gut!!

Clara:   und was sagt ihr zu dem Gesetz, dass auf Homosexualität die Todesstrafe stehen soll?
Dinah:   Gott verbrennt sie beim Jüngsten Gericht. das ist alles was ich dazu sage. (verlässt das Büro)
Clara:   aber eure Regierung ist nicht Gott ...
Zack und Naomi (auf Nachfrage, sollen Schwule umgebracht werden?):   Kopfschütteln.

so die halb repräsentative Meinung im Office. 

Dinah ist nicht allein in ihrer Meinung
ich glaube dass viele Ugander so denken wie Zack, solange Homosexualität zwischen zwei erwachsenen Männern oder Frauen ist und keinem anderen wehtut, ist ihnen das leicht unangenehm bis egal (eine Haltung, die ich im Westen immer noch homophob und ungerecht fände, die hier aber schon als fortschrittlich angesehen werden muss).

was mir aber am meisten aufgefallen ist ist dass die meisten Ugander nicht differenzieren zwischen Missbrauch an kleinen Jungs durch Männer und einer Beziehung/Sex zwischen zwei gleichberechtigten Menschen, egal Mann oder Frau, selbst Zack nicht. sobald man mit Ugandern über Homosexualität redet, reden sie gleich von Kindesmissbrauch, der von Männern an Jungs begangen wird. 
davon ist auch in der Bahati Bill die Rede. hier ist der Wikipedia–Artikel dazu, auf Englisch. Zitat daraus (darüber, was in dem Gesetz unter Strafe stünde):

"Aggravated homosexuality" is defined to include homosexual acts committed by a person who is HIVpositive, is a parent or authority figure, or who administers intoxicating substances, homosexual acts committed on minors or people with disabilities, and repeat offenders.

das finde ich wichtig zu erwähnen und das deckt sich mit den Meinungen im Büro: Fälle von sexueller Gewalt, bei denen der Täter das gleiche Geschlecht hat wie das (minderjährige) Opfer, werden also unter "gewaltvoller Homosexualität" abgelegt. das heißt, beim Thema Homosexualität wird kein Unterschied gemacht zwischen einer grausamen Straftat A und zwei Menschen, die sich einfach lieben (und/oder geil finden) B.

besonders religiöse Menschen beziehen sich aber auch darauf, dass nach dem strengen Christentum Homosexualität eine Sünde ist. und selbst wenn Religion nicht im Spiel ist, gilt sie als widernatürlich.
diese Art von Homophobie kommt aber nicht nur in Uganda vor. hier ist sie stärker ausgeprägt, aber die gleichen Meinungen, schwächer und in höfliches Gewand gekleidet, hörst du ganz genau so im Westen. genauso wie dort konzentriert sich Homophobie vor allem auf Schwule, Homosexualität heißt überhaupt nur "Sex/Liebe/Beziehungen" zwischen Männern. Lesben kommen nur am Rand vor und sind auch "nicht sooo schlimm". 

absolut neu und wirklich verblüffend war aber folgendes für mich. einig scheinen sich alle Ugander zu sein, egal ob sie Homosexualität nun verachtenswert oder egal finden: dass es ein westliches Phänomen ist. wir Westler sind permissiv und liberal, deswegen gibt es bei uns Schwule. durch den Einfluss des Westens in Uganda gibt es hier jetzt auch Schwule und Lesben, aber eigentlich sind Afrikaner nicht so.
das Argument, dass Homosexualität in allen Ethnien und auf der ganzen Welt vorkommt und schon immer vorkam, dass das aufgrund von gesellschaftlichen Regeln nicht offen ausgelebt wurden durfte, aber kein neuzeitliches oder westliches Phänomen, sondern jetzt nur akzeptierter ist, wird nicht angenommen. wie gesagt, verblüffend.

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